Japanische Holzschnitte sind in der Ausstellungsgeschichte dem Museum für Ostasiatische Kunst in Köln keineswegs fremd. Die Sammlung Gerhard Pulverer wurde 1991 und 1995 gezeigt, die Sammlung Otto Riese im Jahr 1997, aber die eigene Sammlung?
Währenddessen lagerten rund 2000 Holzschnitte in den Kellerräumen — angeblich und laut verkündet — unsortiert. Seit 2014 wurde das Konvolut von Matthi Forrer und Adele Schlombs gesichtet, sortiert und beschrieben. Die jetzige Ausstellung ist ein Kondensat dieser Bemühungen. Über einen Zeitraum von ca. 120 Jahren zusammengetragen spiegelt die Sammlung die Vorlieben und Ankaufspolitik des Museumsgründers bzw. der -direktoren. Daher gibt es Lücken: die frühen Meister fehlen schmerzlich, shunga wurden angeblich von Frieda Fischer „entsorgt“, Osaka-Meister sind nicht vertreten, Meiji-Künstler sind unterrepräsentiert und die Moderne tritt fast nicht in Erscheinung. Hervorgehoben werden müssen die Blätter von Eishi und Koryūsai, die wunderbaren Blockbücher und die Rarissima, für die Matthi Forrer in seiner Beigeisterung nicht zu bremsen war.
Eine entwicklungsgeschichtliche Ausstellung bot sich daher nicht an. So ging man bei der Präsentation historisch-chronologisch nach Themengruppen vor, die zwar neue Aspekte eröffnet, die Holzschnitte jedoch in die Ecke des illustrativen Mediums zur Kulturgeschichte der Edo-Zeit stellt. Ihrem künstlerischen Wert, der herausragenden Stellung mancher Künstler/Entwerfer, den Neuerung im Farbendruck (beni, Preußisch-blau, Anilinfarben) oder der Einführung westliche Perspektive wird kaum Rechnung getragen.
Sei’s drum. Wie entstand die Sammlung?
Adolf Fischer legte den Grundstock. In einer Zeit, als der japanische Farbenholzschnitt auch ukiyo-e genannt wurde, der die fließende vergängliche Welt im Bild festhielt, bevorzugte er Bildnisse schöner Frauen (bijin). Frauen mit überlangen Körpern und enigmatischer Physiognomie faszinierten den Europäer – auch schon lange vor Fischer, vor allem die Franzosen. Und Fischer muss Blockbücher geliebt haben. Er kaufte für das Museum, besaß aber zeitgleich auch eine Privatsammlung. Bis zur kriegsbedingten Auslagerung waren die Holzschnitte in Raum 29 im 2. Stock am Hansaring in Köln zu sehen, wo man die Blätter ohne Passepartout auf 12 Tafeln montierte, die sich in flachen Glasvitrinen befanden. Die Bücher waren in Fensterpulten gezeigt. Der Raum diente gleichzeitig als Bibliothek und Leseraum. Ein klassischer study room also wie im British Museum, wo man sich Drucke auf Wusch zeigen lassen konnte.
Nach dem 2. Weltkrieg begann man die Holzschnittsammlung um jene Künstler und Genres zu ergänzen, die heute unser Verständnis dieser Kunst prägen — Landschaften und Schauspielerportraits. Unter dem Museumsdirektor Werner Speiser 1951-1965 und seiner Assistentin Rose Hempel (1951-1959) tätigte das Museum wichtige Ankäufe aus den Sammlungen Mrs. Fahnert, Hans Lückger und Willibald Netto und es kamen die Stiftungen Voigt und Renate Berk ins Haus. Im Museum ohne Haus wurde wurden Blätter, Bücher oder eine Serien vereinzelt in Zusammenhang mit anderen Kunstwerken in der Eigelsteintorburg gezeigt (1956, 1961 und 1963).
Mit Roger Goepper kamen Glanzlichter in die Sammlung, wobei der deutsche Handel berücksichtigt wurde: Von Herbert Egenolf erwarb die Orientstiftung für das Museum 1978 den Sharaku und Hokusais berühmtes Gespensterblatt „Oiwa“. Walter Exner verkaufte dem Museum mehrere Hokusai-Blätter. Die schöpferische Gewalt eines Hokusai hatte Fischer offenbar nicht erkannte und gewürdigt.
Adele Schlombs erkannte weitere Lücken in der Sammlung, die gefüllt wurden mit Erwerbungen aus der Scheiwe-Auktion sowie mit Hiroshige-Blättern und shin-hanga, die 2014 und 2016 erworben wurden. 2015 kam die Stiftung Benjamin Benser mit der Sammlung Otto Sohn-Retel ins Haus. Die Holzschnitte waren ab 1977 im neuen Haus von Maekawa kaum zu sehen, mit der Erweiterung der Räumlichkeiten 1995 dann aber in einem eigenen Graphik-Kabinett.
Doch ganz unbekannt war die Sammlung niemals. Eva Kraft sichtete die Buchbestände und publizierte sie 1988 in der Reihe „Japanische Handschriften und traditionelle Drucke aus der Zeit vor 1868“, Bd. XXVII,3. Die Japaner untersuchten die Bestände und publizierten 138 Holzschnitte und nikuhitsu-Malereien in der Reihe „Hizō ukiyo-e taikan betsumaki“ (Bd. 12), Tokyo: Kodansha, 1996.
Nach langem Warten und Verschiebungen auf Grund von Renovierungsarbeiten, nun endlich die Ausstellungseröffnung!
Es war eine lokale Angelegenheit und glänzte durch Abwesenheit deutscher Kuratoren, Sammler und Händler. Man fragt sich, wo das deutsche Interesse an Holzschnitten geblieben ist. Waren wir in Deutschland doch führend in der Erforschung der japanischen Holzschnittkunst, wurden nicht Monographien verfasst über Utamaro (Kurth, 1907) Toyokuni (Succo, 1913) und Sharaku (Kurth 1910/1922 und Rumpf 1932). Ein Leuchtstern unter den Kennern der Nachkriegszeit war Rose Hempel. Nach ihr jedoch musste man bei der wissenschaftlichen Bearbeitung von Farbholzschnitten auf Eiko Kondo aus Bologna und Matthi Forrer aus Leiden zurückgreifen. Und wo sind die heutigen Nachfahren der illustren Riege deutscher Nachkriegssammler wie Geyger, Pulverer, Riese, Schack, Scheiwe, Siebeth, u.v.a.m.
Und wie fügt sich die Sammlung im gesamtdeutschen Raum ein? Gehen wir geographisch vor: In unmittelbarer Nähe in Düsseldorf wurde die Sammlung Dr. Hans Lühdorf dem Kunstpalast vermacht und mit einem Katalog 1990 geehrt, das Clemens Sehls-Museum besitzt eine kleine Sammlung, die 1993 publiziert wurde. Das Lehmbruck Museum Duisburg legte 1997 einen Katalog vor, das Stadtmuseum Oldenburg stellte seine Holzschnitte 1996 vor. Bremen hat schon früh gesammelt und seine Bestände durch Eiko Kondo bearbeiten lassen und publiziert (1990 und 1993), in Hamburg hat Rose Hempel 1986 einen Katalog geschrieben und Ursula Lienert hat sich um die Sammlung surimono gekümmert (2011). Berlin würdigte seine Holzschnittsammlung 1971 nachdem sie aus der Kunstbibliothek ins Museum für Ostasiatische Kunst überführt wurde mit einem Bestandskatalog von Steffi Schmidt und später einem surimono-Katalog (1990). Und gehen wir nach Süden: Frankfurt kann mit den Sammlungen Geyger (1995) und Riese (1997), die beide publiziert sind, glänzen und sogar die gemischten Bestände der Portheim-Stiftung in Heidelberg wurden 2003 in Buchform vorgelegt.
Es wurde also höchste Zeit diese Kölner Bestände ans Licht zu bringen – man verzeihe diesen in Zusammenhang mit Graphik unpassenden Ausdruck — und zu publizieren, wenn auch nur 400 plus Blätter von den 2000 Positionen im Katalogbuch vertreten sind. Kirschblütenrosa der Einband, werden wir ins Land der aufgehenden Sonne versetzt. Haptisch schön, ein Augenschmaus, eine unendliche Vielfalt und Bandbreite, eine Sammlung wach geküsst. Ein großes Lob für Adele Schlombs.
Die Ausstellung wurde bis zum 30.9. verlängert. Der Katalog — nur englisch — ist noch erhältlich. Es gibt ein deutschsprachiges Begleitheft von 48 Seiten. Eine Besprechung des Katalogbuches ist für die „Ostasiatische Zeitschrift“ im Frühjahr 2019 geplant.
Juli 2018