Mitte der 1970er-Jahre lernten wir Alex Ignatius aus Bensberg-Frankenforst in der Nähe von Köln kennen, vielleicht auf einer Kunstmesse oder über den Künstler Reimann aus Köln-Dellbrück, der mit Ignatius befreundet war. Ignatius kaufte gelegentlich Netsuke von unserer Firma, damals Offermann & Schmitz, und eines Tages zog er eine selbstgeschnitzte Arbeit aus der Hosentasche.
Alex Ignatius, am 1.9.1941 in eine Künstlerfamilie geboren, hat angeblich sein erstes Netsuke mit 12 Jahren geschnitzt. Von 1958 bis 1961 studierte er Malerei an den Kölner Werkschulen (heute Köln International School of Design). Neben seiner Arbeit als Kunstmaler zeichnete er für Zeitschriften wie Titanic, Capital und Stern und illustrierte diverse Bücher. Am bekanntesten ist sein Buch Der Pilger Mu. Einer wie Du und ich aus dem Jahr 1987; Und der Witz bei dem Geschäft? Wirtschaftswitze mit Cartoons erschien im Jahr 1990.
Die Firma fasste eine Vermarktung von Ignatius-Schnitzereien ins Auge und überwies um die Produktion anzukurbeln im Dezember 1976 eine A-conto-Zahlung für demnächst fertig gestellte Netsuke. Im Januar 1977 wurden die Bedingungen für eine Zusammenarbeit festgelegt, wobei man Alex Ignatius zudem als Restaurator alter Netsuke gewinnen konnte.
Bis Mitte 1978 hatte er circa 20 Netsuke fertig gestellt. Es waren ein Hündchen (ein Modell, das er in Folge mehrfach schnitzte) und ein Tiger in der Art von Kaigyokusai, modernistische „grasende Pferde“, erotisch angehauchte Arbeiten (ein zusammengerolltes nacktes Mädchen, ein futamata daikon und ein weiblicher ningyo aus Holz), Meerestiere aus verschiedenen Materialien, Pilze und eine Kröte aus Hirschhorn sowie Holz-Netsuke, die sich eng an japanischen Vorbildern orientierten. In unserem Bestand fanden wir denn auch eine unsignierte Elfenbeinarbeit, die wahrscheinlich von Alex Ignatius stammt.
Hans-Martin Schmitz legte Wert darauf, dass Alex Ignatius seine Schnitzarbeiten signiert. Die meisten sind daher mit dem Namen „Alex“ in einer ovalen Reserve versehen. Der Schriftduktus der Großbuchstaben entspricht seinen karikaturhaften Zeichnungen in Der Pilger Mu.
Anlässlich der London Netsuke Convention im Jahr 1978 plante die Firma eine Ausstellung, die jedoch nicht zustande kam. Bei der Convention selber sprach man Bernard Hurtig (1929-2015), Juwelier und Netsuke-Händler aus Honolulu, bezüglich einer Kooperation bei der Vermarktung in den USA an. Hurtig lehnte ab, da er selber drei Schnitzer (Meigyokusai, Seihōsai Meisei und Kōsei Hideyuki) unter Vertrag habe, und ihn die Betreuung dieser Schnitzer zu viel Zeit koste.
Zwecks Vermarktung produzierte Offermann & Schmitz ein Faltblatt, nachdem man sich gegen einen kleinen Katalog entschieden hatte, von dem man bis dahin immer wieder gesprochen hatte. Aus den Entwürfen zum Flyer kann man vermuten, dass Alex Ignatius selber beratend zur Seite stand. In einem der Entwürfe findet sich ein artist’s statement, das jedoch nicht abgedruckt wurde.
Im Januar 1979 verschickte man das Faltblatt mit einer Liste von Preisen, die von DM 450 bis DM 3600 rangierten. Von den 18 Stücken wurden u. a. ein liegender Ochse in der Art des Tomotada aus Buchsbaum für DM 2800, eine Arbeit in Perlmutter, einen Fisch darstellend, für DM 450 und später der Langarm-Affe verkauft.
Im September 1979 annoncierte man im Journal of the International Netsuke Collectors Society. Die Zusammenarbeit mit dem Künstler lief auf Grund mangelnden Käuferinteresses langsam aus. Alex Ignatius und seine Frau, die aus Bangladesh stammte, wanderten 1997 nach Vancouver in Kanada aus, wo er als freier Maler und Illustrator lebt.
Zeitgleich mit unsere Bemühungen, einen deutschen Netsuke-Schnitzer zu lancieren, vermarkteten Londoner Kunsthändler ab 1978 englische Netsuke-Schnitzer mit gänzlich unterschiedlichen Werdegängen, die zwischen 1974 und 1978 zu schnitzen begannen: Douglas J K Wright förderte George Weil (geb. 1938), Eskenazi Michael Webb (1934-2009) und Barry Davies Oriental Art Guy R. H. Shaw (1951-2003). Auch in der Bundesrepublik Deutschland entfachte die Leidenschaft und das europäische Sammelfieber für Netsuke in den späten 1960er-Jahren die Lust am Schnitzen von Elfenbein, Holz und anderen Materialien. Neben Alex Ignatius sind Harald Hayen aus Oldenburg/Norderney und Aldolf Gieß (geb. 1930) aus Erbach zu nennen und all jene, die unbekannt sind und bleiben möchten.
Februar 2018